Familie und Beruf

Dass Mütter mit ihren Kindern die ersten Jahre zu Hause bleiben, ist für Viele der Idealzustand und arbeitende Mütter werden als ein Phänomen unserer Zeit dargestellt. Aber evolutionsgeschichtlich? Vermutlich wären wir verhungert und längst weg vom Fenster, wenn unsere Urgroßmütter statt aufs Feld zu gehen nur auf ihre Kinder aufgepasst hätten. Das Leben hat sich in der Geschichte der Menschheit nie so sehr um die Kinder gedreht, wie jetzt. Dass Kinder mitlaufen und dass sie auch mal von anderen betreut werden, ist eigentlich das Natürlichste der Welt.

 

 

 

Heute wird bei Kindern auf Qualität und nicht auf Quantität gesetzt. Zum Glück! Wir bekommen weniger Kinder und in die Wenigen wollen wir möglichst viel investieren. Das ist toll, aber ich finde, Kinder sollten auch lernen, dass sie nicht der Nabel der Welt sind, dass es auch andere wichtige Dinge gibt. Gerade heutzutage, wo die Welt nur so von verwöhnten Einzelkindern wummelt…

 

 

 

Als ich mit Karlito ein Jahr zu Hause war, fand ich es super schön. Ich hab gern mit ihm gespielt, bin zur Babymassage, zum Lefino, hab ihm Bücher vorgelesen und die Welt mit ihm entdeckt. Aber am Ende hatte ich das Gefühl, er ist unterfordert. Ich wusste nicht mehr, was ich noch mit ihm spielen oder entdecken kann. Es war, als wäre wirklich mit 1 Jahr dann die Luft raus und der perfekte Zeitpunkt, mal etwas Anderes zu erleben. Für ihn, und auch für mich. Als Karl ein Jahr alt war bin ich wieder arbeiten gegangen. Aber „nur“ 30 Stunden die Woche, was für viele schon zu viel ist. Aber für uns passt es perfekt. Erst wollte ich nach 1 Jahr schrittweise aufstocken, aber das möchte ich nicht. Nicht, dass ich noch etwas bei Karl verpasse, soweit möchte ich nicht gehen. So haben wir genug Zeit, das Leben gemeinsam zu genießen.

 

 

 

Aber es gibt auch andere Mütter, die selbstständig sind und schon nach zwei Wochen zum ersten Termin rennen, das Kind im Tragetuch dabei. Erst fragt man sich natürlich „Warum tust Du Dir das an?“ Aber andererseits denke ich, dass man als Freiberufler für seinen Beruf lebt, es Leidenschaft ist und womöglich keine Belastung darstellt. Eine Stunde mal nicht über Windelinhalt oder Stillmahlzeiten nachdenken, sich nicht um die Wäsche oder andere undankbare Haushaltsaufgaben kümmern, sondern intellektuell gefordert sein.

 

 

 

Aber lassen sich Beruf und Familie vereinbaren? …man muss nur diszipliniert und organisiert genug sein, dann ist doch heute alles möglich, dann ist alles zu vereinbaren. Richtig? Oder purer Quatsch? In der Familie und im Beruf sollen wir allzeit verfügbar, flexibel und immer auf die Sache konzentriert sein. Solange der Tag nur 24 Stunden hat und man zwischendurch auch noch schlafen und essen möchte, kann das nicht gut gehen. Und so hat es letztlich nur mit den individuellen Lebensumständen, dem Umfeld und der Leidensfähigkeit jeder und jedes Einzelnen zu tun, wann genau das Fass überläuft.

 

 

 

Der Alltag moderner Familien ist oft genug ein Kraftakt. Es wird gefeilscht und gestritten, verteilt und verhandelt wie sonst nur auf dem Basar: Wer macht was, wie, wann? Beim Frühstück erfahren dann die Kinder, wie die Woche läuft. Alles eine Frage der Organisation. Unvorhergesehenes darf da aber nicht passieren! Plötzlich auftretendes Fieber, nächtliche Magen-Darm-Infekte oder gar ein gebrochener Arm? Oh nein – schnell hektisch telefonieren und drüber streiten, wer morgen die wichtigeren Termine hat.

 

 

 

Eigentlich sollte man sich aber doch fragen, wie es eigentlich unseren Kindern dabei geht? Sind sie damit einverstanden, immer funktionieren zu müssen? Fühlen sie sich wohl damit, während der Grippe die Babysitterin bei sich zu haben, weil Mama und Papa wieder einmal Wichtigeres zu tun haben? Über ihre Bedürfnisse wird bei der ganzen Vereinbarkeitsdebatte selten gesprochen. Als wäre es selbstverständlich, dass Kinder genau wie Erwachsene zu funktionieren haben. Wir geben ihnen häufig einen Takt vor, der eigentlich unserer ist, und vergessen dabei, was sie wirklich brauchen: Zeit, Muße und eine sichere Bindung, um das Leben in seiner ganzen Vielfalt kennen und begreifen zu lernen.

 

 

 

Wahrscheinlich nehmen wir so wenig Rücksicht darauf, weil wir selbst unsere eigenen Gefühle bei der Frage, wie wir Beruf und Familie organisieren wollen, viel zu oft zurückstellen. Wer Familie und Karriere gleichzeitig leben will, zahlt einen Preis – und dieser Preis ist hoch. Nein, das ist keine Werbung für Vollzeitmütter. Es gibt ja Haufen Studien, die belegen, dass glückliche Kinder auch bei Eltern aufwachsen, die beide arbeiten. Aber, bitte nicht die Zeit und Nähe füreinander vergessen. Anteil zu nehmen an ihrer Entwicklung, für sie da zu sein, wenn sie einen brauchen, ermöglicht eine perfekte Organisation noch lange nicht.

 

 

 

Da hilft es auch nicht, wenn immer wieder kluge, erfolgreiche, glückliche und reiche Firmengründerinnen über ihren Erfolg sprechen. Diese Powerfrauen sind Frauen, die man nicht wirklich gut leiden kann, aber heimlich ein bisschen beneidet. Weil sie Kraftpakete zu sein scheinen, die so gut wie nie müde, hungrig oder überarbeitet sind. Und dabei immer ausgeschlafen wirken und top frisiert sind. Da kann man noch so oft sagen: Die haben ja auch viel Geld und zig Angestellte. Powerfrauen liefern den Sound zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Hey – dröhnt es aus allen Richtungen –, ihr müsst euch alle nur genügend anstrengen, dann seid ihr auch multitaskingfähig, unkaputtbar und leistungsstark. Der Druck, der dadurch auf die vielen Mütter und Väter entsteht, die verzweifelt versuchen, allen Anforderungen auch nur halbwegs gerecht zu werden, ist enorm.

 

 

 

Interessant wäre, wenn diese glatte Fassade einmal Risse bekäme, wenn durchschimmern würde, dass auch Powerfrauen Selbstzweifel und Ängste haben, dass bei ihnen auch nicht alles so glatt läuft und ihr Aufstieg einen Preis hat. Was für eine Erleichterung könnte das sein für die vielen, vielen Männer und Frauen, die weit entfernt davon sind, eine solche Karriere zu machen. Die einfach nur berufstätig sind, häufig wie ich selbst in Teilzeit, und trotzdem nicht wissen, wie sie das mit ihren Kindern unter einen Hut bekommen. Die glauben, andere bekommen die Vereinbarkeit von Familie oder auch nur Beziehung und Beruf locker hin – nur sie selber nicht.

 

 

 

Und wie wollen wir jetzt eigentlich leben? Dabei wäre Ehrlichkeit schon der erste Schritt in die richtige Richtung. Geben wir doch mal zu, dass in den meisten Fällen entweder der Beruf oder die Familie leidet, wenn wir versuchen, beides gleichzeitig zu leben. Ich kann in meiner Position sicherlich nicht weiterkommen oder Karriere machen, alleine schon, weil ich darauf achten muss, pünktlich zu gehen um Karl von der Kita holen zu können. Ja, klar, ich könnte jetzt auch wieder Vollzeit arbeiten und Karl den ganzen Tag in der Kita anmelden. Aber hab ich dafür ein Kind in die Welt gesetzt? Nein. So wie es ist, ist es absolut okay für mich. Familienarbeit ist eine ernstzunehmende, aufwändige und gesellschaftlich existentielle Arbeit. Hören wir auf damit, nur Erwerbsarbeit einen Wert beizumessen, weil diese Haltung alle anderen Arbeiten gnadenlos entwertet. Machen wir die Gesellschaft fit für die On-off-Biografie! Einen Lebenslauf also, in dem Phasen der Erwerbsarbeit immer wieder mit Phasen der Familienarbeit abwechseln können, von der Gesellschaft getragen und den Unternehmen gefördert. Denn nur so können wir den Menschen Mut zur Familie machen. Viel zu viele hat dieser Mut längst verlassen, überhaupt eine Familie zu gründen...

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Primetime Chaos (Dienstag, 20 Februar 2018 16:05)

    Ich bewundere Mamas, die Beruf und Familie unter einen Hut bringen. Wir Frauen haben es drauf! Ich bin gespannt, wie das bei mir mal sein wird :)
    Alles Liebe,
    Theresa