Interview / Scooterist

Die Subkultur rund um die berühmten Blechroller Vespa und Lambretta wird ehrlich, kritisch aber auch manchmal mit einem Augenzwinkern beschrieben.

 

Anbei mein Interview mit Herrn Lohmann, der die Szene der Rollerfahrer so zu sehen scheint, wie sie eben ist: Als eine Gruppe mit Werten aus "Gold" udn als ein Band der Zusammengehörigkeit, über Jahre oder gar Lebensabschnitte hinweg.

 

Melanie: Stammen Sie aus einer Familie mit Beziehung zu Rollern oder Restaurieren?

Herr Lohmann:

Weiß gar nicht wie ich das beantworten soll? Meine Eltern waren/sind nicht sehr technikaffin. Mein Vater war beruflich Textiler, dessen Beziehung zu Kraftfahrzeugen immer nutzungsorientiert war. Als ich 16 war gab es bei uns natürlich auch die Diskussion um ein Mopped (damals 80 cm³). Mein Vater stellte mich vor die Wahl einen Roller, den meine Eltern finanzierten oder eine 80ziger die ich selber finanzieren musste. Hintergrund war, dass mein Vater das Unfallrisiko bei Roller deutlich geringer einschätzte. Erwartungsgemäß habe ich mich wie die meisten 16 jährigen verhalten und wählte das Mopped. Nach etlichen Ferienjobs in der Fabrik, kaufte ich mir eine RG 80 Gamma. Roller fand ich ziemlich blöd. Oder mit den Worten eines 16 Jährigen: Der Coolnessfaktor war mit einem Roller nicht gegeben.

Aber!...

Das erste Fahrzeug meiner Eltern war 1955 (!) eine Lambretta. LD. Mein Vater ist sich zwar sicher, dass es eine Innocenti gewesen sei aber da beide sich auch sicher sind, die Lambretta hätte einen Elektrostarter gehabt, kann es nur ein NSU Lizenzbau der LD gewesen sein. Aufgrund der weltweiten hohen Nachfrage an Rollern in den Jahren des Wirtschaftswunders, vergaben die Italiener Lizenzen in andere Länder. So auch Vespa (z. B. Hoffmann Werke Augsburg). Die NSU Lambretta war damals schon mit einem „Starter/Generator“ der sog. Dynastart ausgerüstet.

 

Melanie: Seit wann sammeln Sie intensiv?

Herr Lohmann:

Ich sammle gar nicht. Aber seit ca. 8 Jahren beschäftige ich mich ernsthaft mit dem Thema „Blechroller“. Es gibt eine ziemlich aktive Szene in Deutschland. Man kennt sich, trifft sich und feiert zusammen. Es geht auch mehr um das Ganze. Wer setzt sich schon freiwillig auf ein Fahrzeug was nicht fährt und schon gar nicht bremst. Die müssen alle einen Knall haben. Sind auch immer schöne Veranstaltungen vom einfachen Treffen mit einen Nothern Soul Allnighter, legendäre Auftaktveranstaltungen wie Stockach bis hin zur aktiven Rennszene (ESC). Daneben gibt es auch Roller ;--) vom Mod bis zum Kutteträger ist auch alles vertreten.

 

Melanie: Wo finden Sie all die Sammlerstücke?

Herr Lohmann:

Wie gesagt: „Man kennt sich“. Die Szene und der Club bietet die ein- oder andere Plattform für Leute, die ernsthaft nach Rollern suchen. Aber in Italien – da gibt’s schon lange keine Schnäppchen mehr!

 

Melanie: Wissen Sie noch, welches der erste gekaufte Roller war?

Herr Lohmann:

Klar sowie bei 99% aller Rollerfahrer, war es eine Vespa PX! Der Klassiker unter den Rollern. Die wurde übrigens wegen der großen Nachfrage und dem ungebrochenen Run auf Blechroller von Piaggio leicht verändert wieder aufgelegt. Dies tut der Ersatzteilversorgung natürlich gut.

 

 

Melanie: Wie und wann Sind Sie darauf gekommen, gerade Roller zu sammeln?

Herr Lohmann:

Nach der Schule habe ich eine Ausbildung zum KFZ-Mechaniker gemacht. Meine Liebe zum Schrauben und zum Blechdängeln ist geblieben. Ich brauch das auch als Ausgleich zu meinem Bürojob. Egal wie blöd der Tag war – in der Garage krieg ich den Kopf wieder frei! Die Vorteile von Rollern: Oldtimer, geringer Platzbedarf, überschaubare Kosten (im vgl. zum Auto), man kann Teile im Winter auch mit ins Haus nehmen, formschön und…..viel Blech zum Dängeln ;-).

 

 

Melanie: Haben Sie eine Halle oder größere Garage, so Sie die Roller und Werkzeuge lagern?

Herr Lohmann:

Ich finde deutlich zu wenig! Wobei der Rest der Familie das wohl anders sieht. In einer heißen „Projektphase“ gibt es glaube ich kein Zimmer im Haus, in dem keine Rollerteile liegen.

 

Melanie: Sie arbeiten für einen Automobilhersteller, es liegt nahe, dass man auch andere Fahrzeuge attraktiv findet. Wie ist es bei Ihnen?

Herr Lohmann:

Es gibt wenig, was ich nicht gut finde, solange das Baujahr vor meinem Geburtsjahr liegt ;-)

Ich kann mich auch sehr für alte NSU oder Horex Fahrzeuge begeistern. Ein alter 911 F Modell wäre der Traum. Aber wenn ich das anfangen würde….da käme ich in eine echte Suchtgefahr; dafür hänge ich dann doch zu sehr an meiner Familie ;-)

 

Melanie: Welche Rolle spielt die Sammlerei in Ihrem Privatleben?

Herr Lohmann:

Ich würde behaupten dass ich nichts sammele. Ich besitze nicht mal eine Briefmarke. Was ich gerne aufhebe, sind alte Teile und Blechschnipsel. Bis jetzt hab ich doch alles mal wieder gebraucht. Zu meinen Rollern gibt es auch immer einen Karton mit den Teilen die ersetzt wurden.

 

Melanie: Die Frage ist vielleicht nicht ganz einfach, aber welches sind Ihre drei liebsten Roller?

Herr Lohmann:

Ganz einfach:

Lambretta 1 (Polizei) die grün/weiße

Lambretta 2 (Herzblut) die Blutrote die mich viel Energie gekostet hat.

Lambretta 3 (SX Apeal) dieses Modell (Li3 SX) wurde Mitte der 60ziger mit dem Slogan “Lambretta give´s You SX apeal beworben.

Hauptsache Lambretta. Generell schlägt mein Herz für die Blechfahrzeuge der Mailänder Firma Innocenti. Als diese 1971 Ihre Produktion zusperrte, wurde die komplette Produktion demontiert und in Indien wieder aufgebaut. So wurde die Lambretta DL unverändert bis in die 90er von SIL (Scooter India Limited) weiter gebaut.

 

Melanie: Gibt es eine besondere Geschichte zu einem Roller?

Herr Lohmann:

Jedes Fahrzeug, was mal mehr als 50 Jahre auf der Straße war, hat seine eigene Geschichte. Man muss sie nur freilegen! Vor einigen Wochen stand ein älteres Rentnerpaar vor mir und sage „genauso einen Roller hatten wir auch als wir ganz jung waren“ Da entwickeln sich dann immer ganz spannende Gespräche. In dieser Saison hatte ich leider einige Liegenbleiber zu beklagen. Deshalb macht sich meine Frau einen Spaß daraus und begrüßt mich am Telefon mit den Worten „ Na! ….wo soll ich Dich denn abholen?“ wenn ich mit dem Roller unterwegs bin.

 

Melanie: Wie hoch schätzen Sie den jetzigen Wert der Roller?

Herr Lohmann:

Da will ich nichts zu sage

 

Melanie: Wie wichtig ist es, Originalteile zu finden und einzubauen?

Herr Lohmann:

Generell versuche ich die original Anbauteile (Blech, Zierteile, Sattel, Felgen,..) zu erhalten. D. h. Aufarbeiten, Reparieren und Veredeln (neu verchromen, verzinken). Anders sieht es dann doch bei Funktionsteilen aus. Lager, Dichtringe, Kurbelwellen werden kompromisslos durch Neuteile ersetzt. Es macht keinen Sinn, eine defekte Kurbelwelle gegen eine „gute Kurbelwelle“ zu ersetzen die auch 50 Jahre alt ist. Wer schon mal eine 50 Jahre alte Schraube festziehen wollte weiß was ich meine. Ich nutze meine Roller auch im Alltag. Mit 4 PS und einer per Seilzug betätigten Trommelbremsen wird man aber eher zum Hindernis und bring sich selbst in Gefahr. Deshalb werden die Motoren entsprechend optimiert, eine elektronische 12V Zündung und Blinker nachgerüstet und eine adäquate Scheibenbremse im Vorderrad verbaut. Sonst ist man dem heutigen Großstadtverkehr nicht gewachsen. Das ganze selbstverständlich mit einer Abnahme durch eine amtliche Prüfstelle. Natürlich wird die alte Bremse/Zündung aber aufgearbeitet gerichtet und sauber verpackt in einen Karton gelegt.

Zudem muss man mal wirklich sagen, dass die Ersatzteilversorgung noch nie so gut war wie heute. Und obwohl es ja prinzipiell immer weniger von diesen Rollern gibt, erscheinen jedes Jahr eine Vielzahl neuer und innovativer Produkte.

 

Melanie: Sind Sie auch in Kontakt mit anderen Sammlern?

Herr Lohmann:

Mit Sammlern? Nö! Aber man kennt sich doch.

 

Melanie: Meine letzte Frage, unter welchen Umständen würden Sie sich von den Rollern trennen?

Herr Lohmann:

Gar nicht! Es sei denn, ein neues Projekt muss her und es kommt zufällig jemand vorbei, dem ich zutraue den Roller in Schuß zu halten und der weiß auf was er sich da einlässt. Leider werden die aktuell so hippen Roller doch von vielen falsch bewertet. Sieht man doch in den aktuellen Werbespots die schicken Blechfahrzeuge die einem von der dolce Vita künden. Wenn ich doch mal einen Roller verkaufen möchte, bin ich dann oft von den Erwartungen der Interessenten überrascht. Nach einem Fahrversuch wird dann schnell klar, dass es sich doch um Liebhaberfahrzeuge handelt. Der Kickstarter erfordert einiges an Kraft, die hohen Bedienkräfte von Kuppelung, Schaltung und Bremse werden völlig falsch eingeschätzt. Spätestens beim Tanken ist es dann mit der Liebe vorbei. Wer will heute denn noch mit Ölmessbecher an der Tankstelle hantieren? Es sind und bleiben Oldies mit denen man ab und an mit einer verölten Kerze am Straßenrand steht ;-) Analog zu einem Auto aus dieser Zeit. Nur hier ist dies wohl jedem klar, dass es ein Oldi ist.

 

Vielen Dank für Ihre Zeit und das nette Interview!