Eigentlich.

Wie oft sagen wir eigentlich das Wort „eigentlich“? Täglich? Stündlich? Ständig?

Eigentlich wollte ich ja noch meinen Kumpel anrufen. Eigentlich wollte ich nur noch hohe Schuhe anziehen. Eigentlich habe ich heut gar keine Lust, aber….

 

Merkt ihr was? Dieses kleine Wort ist ein ständiger Begleiter in unserer Kommunikation und eine Brücke zur Ausrede. Und euch fallen bestimmt gerade noch viel mehr Beispiele ein, in denen wir uns mit „eigentlich“ aus der Verantwortung ziehen. Klar sagen, was wir möchten, was wir schaffen oder auch nicht schaffen, fällt uns oft schwer. Der Drang nach Harmonie und Gefallen verführt uns immer wieder zu dieser Wortwahl.

 

Aber warum sagen wir es so oft? Warum können wir nicht einfach sagen, heut geh ich zum Doktor, egal ob ich müde bin oder nicht. Oder, ich ziehe keine hohen Schuhe mehr an, weil mir die Füße nach 9 Stunden immer wehtun. Warum brauchen wir immer dieses „eigentlich“? Kommen wir zu hart rüber, wenn wir (vor allem im Job) klar kommunizieren, was Sache ist?

 

Eigentlich ist es doch ganz einfach. Man macht etwas, oder man lässt es bleiben. Dass es doch komplizierter ist, daran ist das Wort schuld, dass wir fast tagtäglich benutzen. Was verbirgt sich dahinter? Nehmen wir meine Mutter als Beispiel. Sie schiebt Sachen unglaublich gern vor sich her, anstatt es einfach zu tun. Da wollten meine Eltern vor 3 Jahren eine Kreuzfahrt machen, haben auch einen finanziellen Zuschuss von uns zum Geburtstag bekommen, aber im Urlaub waren sie immer noch nicht. Wenn man meine Mutter fragt, warum, kommen Sachen wie „Eigentlich können wir uns es gerade gar nicht leisten, weil wir nächstes Jahr die Fenster machen wollen.“ Letztes oder vorletztes Jahr hieß es „Dieses Jahr geht es eigentlich nicht, weil wir das Garagentor machen lassen wollen.“ Natürlich gibt es immer irgendwas, dass dazwischen kommt. Aber warum sagt man es nicht klipp und klar? Schlechtes Gewissen? Perfektionswahn?

 

Und ich glaube, es geht nicht nur mir oder meiner Mutter so. Genauso oft hört man es im Berufsleben. Ein Arbeitskollege meinte dem Letzt „Eigentlich sollte ich unserem Chef sagen, was mich an ihm stört.“ Ja, sollte man. Aber warum macht man es nicht?

 

Das „Eigentlich“ steht für unser besonderes Ich. Dafür, wie wir vielleicht sein wollen. Oder auch, wie wir sein sollten, weil es andere so von uns erwarten. Aber enttäuschen wir uns dadurch nicht selbst, dass wir wissen, was wir tun sollten, aber trotzdem nicht schaffen, es zu tun?

 

Genauso kennt man es von Diäten und Sport. Man sagt sich zwar, dass man auf Süßigkeiten verzichtet, steht dann nachmittags aber doch wieder vor dem Süßigkeiten- automaten und sagt sich „Eigentlich wollt ich ja keine Schokolade mehr essen, aber ein Riegel geht noch. Aber morgen fang ich dann an, abzunehmen.“ Ja genau. Ist klar. Aus morgen, wird übermorgen, und so weiter.

 

Was wär denn, einen Tag ohne das Wort auszukommen? Geht das überhaupt? In welchen Situationen benutzen wir es am Meisten? Eigentlich wollte ich… und eigentlich sollte ich…

Man schiebt doch Sachen einfach nur auf. Man hat eine Idee, aber knickt dann kurz vorher doch wieder ein. Super. Nur blöd, wenn das Wollen in Wirklichkeit gelogen ist. Wenn ich nicht abnehmen will, sondern lieber ein Stück Kuchen am Tag esse. Andererseits wäre das Wollen sinnvoll, weil ich sonst immer fetter werde und sowieso schon wieder 8 kg zugenommen habe. Bin ich nicht ehrlich zu mir selbst? Warum gestehe ich mir nicht ein, dass wenn ich wirklich auf Süßes verzichten würde, wieder eine Topfigur machen könnte? Man kann auch seine Prioritäten setzen.

 

Aber wie ist es bei den Sachen, die wir wirklich machen sollten? Was setzt mich denn unter Druck, dass ich mir Ausreden suche? Die Meinung der anderen oder meine Selbstachtung? Bei banalen Angelegenheiten klappt das ja gut, aber wenn es komplizierter wird? Wenn es einen Konflikt in der Arbeit gibt und man eigentlich seine Meinung sagen sollte, warum tut man es dann nicht? Wenn ich zu meinem Chef sagen würde „Eigentlich gehört da noch eine Grafik hin“, dann ist es doch eine recht unkonkrete Ansage. Gehört da eine hin, oder nicht? Und wenn er keine hinmacht, ist man beleidigt und denkt gleich „Ich hab es ihm doch gesagt, dass da eigentlich eine hingehört.“

 

Tja, ihr merkt schon. Dieses Wörtchen hinterlässt einen großen Interpretationsspielraum. Im Prinzip ist es auch unsouverän und es hört sich jammerig an. Man versteckt sich hinter dem Eigentlich, statt auf den Punkt zu bringen, was man will. Und dieses Rumgeeiere endet dann meist da, wo man es nicht will – im Streit.

 

Die Lösung ist einfach:  Weg mit dem Eigentlich.

Und wär hätte es gedacht, es passiert gar nichts Schlimmes. Man tut und sagt genau das, was man will.