Wellness.

Heute gibt es mal keinen typischen Blogeintrag, sondern eine kleine Geschichte. Ob sie wahr ist? Wer weiß das schon?


Manchmal habe ich einfach richtig Lust aufs wellnessen. Meine Ernährung ist ja, wer mich kennt der weiß das, eher ungesund und süß. Im Gegenzug kenne ich die meisten Schokoriegel bereits mit Vornamen und duze mich mit den Snacks bevor ich sie verspeise.

Natürlich bewege ich mich auch in den modernen Saunawelten blind. Hühnerfuß-Banja, Ruusu-Sauna, Dreamwave-Grotte und Kelo-Loft bergen keine Geheimnisse für mich. Aber einen richtigen Wellness-Urlaub habe ich mir noch nie gegönnt. Neulich fühlte ich mich aber innerlich fast so wie Karl Dall aussieht. Darum war mal Entspannung auf höchstem Niveau angesagt. Also her mit den Reiseführern und Resort-Prospekten.

Doch mal ganz im ernst, man wird ja erschlagen von den seltsamsten Angeboten. Verlockende Destinationen in den exotischsten Gefilden - von St. Moritz über Dubai bis nach Alaska. Die Fülle der Wellness-Treatments ist ja gar nicht mehr zu überschauen. Nur den Wochenend-Trip zum Mars in der photonengetriebenen Solemuschel konnte ich nicht finden. Noch nicht.

Eine Behandlung mit glühenden Hula-Hula-Vulkansteinen? Oder sich doch eher mit siamesischen Kräuterstempeln bedrucken lassen? Mit Henna versetzt sogar als Bio-Tattoo erhältlich. Eine achthändige Oktopussy-Massakrierung? Oder eingeschmiert mit Tiefsee-Algen im Umluft-Dünenraum garen lassen? Besser das Weintrester-Peeling aus neuseeländischen Trauben oder eher mit peruanischem Kaffeesatz abrubbeln? Das ist die Qual der Wahl. Wie soll Mann sich dabei entspannen? Schon das Wälzen der Kataloge warf mich in der nach oben offenen Wellness-Skala um Jahre zurück.

Mein Mann war heute etwas länger auf der Arbeit. Notgedrungen veranstaltete ich ein abendliches Spontan-Sit-In mit meinen Wellness-erprobten Freundinnen und reichlich Sekt. Nein, Scherz! Natürlich bei handverlesenem Bayram-Tee und leckeren Keksen. Eine typische Mädels-Runde eben.

Da der Tee recht schnell alle war, ging es mit einer weiteren Flasche Sekt von den Terrassen der Sonnen-Pyramide von Texiaztokuahetl weiter. Mann gönnt sich ja sonst nichts. Der Alkohol hob die Stimmung und entlockte meinen Freundinnen die besten Tipps.

„Versuch´s mal mit einer Schokoladen-Honig-Massage.“ meinte Christina. „Da wird nur handcanchierter 83-%iger Öko-Kakao von Lindt verwendet und mit würzigem Maronen-Honig aus Korsika vermischt. Das ist echt traumhaft und riecht ganz lecker.“ Dazu muß man wissen, dass Christina eine ziemlich korpulente Figur hat. Ich stellte mir vor, wie sie  sich die ganze Schokolade nach der Massage abschleckte…

„Eine Aromaöl-Massage ist genau das Richtige für Dich! Das macht die Haut ganz zart und Du glänzt wie eine Speckschwarte.“ meinte Hana. Aber irgendwie klang das auch nicht so verlockend für mich. Ich sah mich schon als Schweinchen Dick durch die Stadt laufen.

„Die Thai-Massage ist auch Klasse!“ meldete sich Christina wieder zu Wort. Ich verzog wohl das Gesicht, da ich mir gerade die ganzen Verrenkungen und harten Griffe der Damen vorstellte, so, wie man es eben aus dem TV kennt. Als sie meinen skeptischen Blick bemerkte fügte er hinzu: „Meine Masseuse benutzt dazu den ganzen Körper. Du liegst auf einer Matte und wie ein Samurai bearbeitet sie Dich mit Armen und Beinen. Das befreit richtig, wenn sie Dir über den Rücken hüpft und dabei die Wirbel einzeln einrenkt.“ Aber irgendwie weckte diese Beschreibung nicht den Wunsch zur Selbsterfahrung in mir. Zumal ich auch nicht so gut gepolstert bin wie Christina. Und heißt das nicht Masseurin? Egal!

„Also für mich ist Floating das Größte!“ meinte Mara. „Du steigst in den Samadhi-Tank, der mit warmer Sole befüllt ist. Dann wird der Deckel geschlossen und Du lässt die schnöde Welt hinter Dir. Eine halbe Stunde lang im Wasser schweben. Absolute Dunkelheit und Stille. Du hörst nur Deine innere Stimme.“ Na danke, denke ich. Eingesperrt in einem dunklen Loch - wo ich schon in einem Targa Platzangst bekomme. Das soll Wellness sein?

„Ayurveda musst Du unbedingt machen! Natürlich nur das echte indische.“ bemerkte die sonst eher stille Maria. „Damit haben wir uns früher in Goa entspannt, bei der Selbstfindung im Ashram. Eine ganz sanfte Massage, die alle Sinne berührt. Einfach traumhaft.“ Ich wartete darauf, dass sie wieder von dem indischen Essen schwärmte, doch sie schloss nur verzückt die Augen und verschränkte im Schneidersitz die Arme vor der Brust. Vielleicht besser so. Trotzdem beschloss ich, sie heute im Auge zu behalten. Nur um auch ganz sicher zu sein, dass sie nicht Richtung Decke entschwebte.

Jetzt war Hana wieder an der Reihe: „Also ich habe letztens einen original russischen Abend miterlebt. In einer Rauchsauna. Erst gab es gegrillten Fisch mit Vodka, dann ging es in die obere Etage zur Wenik-Zeremonie. Mit eingeweichten Birkenquasten schlägt man sich gegenseitig auf Bauch, Rücken, Arme und Beine. Das fördert die Blutzirkulation. Na ja, ein Schuss Masochismus ist schon dabei - aber danach fühlt man sich wie neu geboren. Ehrlich.“

Zuletzt hatte Mara noch einen Vorschlag. Sie schwärmte von der Klangschalen-Therapie. „Der ganze Körper wird zum Musikinstrument. Die Schwingungen der angeschlagenen Bronzeschalen übertragen sich auf die inneren Organe, das Zwerchfell schwingt mit. Dein Geist schwebt über Dir. Du fühlst Dich wie Buddha in einem tibetanischen Kloster.“

„Flieg’ doch mal in die Türkei.“ meldete sich Maria noch einmal zu Wort. „Da gibt es eine Heilquelle den antiken Tempelruinen von Pammukale, wo man zwischen umgestürzten Säulen baden kann. Das Wasser ist ganz warm und klar. Und durch die Sonnenstrahlen wird man auch im Becken ganz schnell braun. Das Tollste aber: kleine, vorwitzige Fische schwimmen um Dich herum und knabbern ausgediente Hautfetzen ab. ‚Kargals’ heißen die. Das wirkt vor allem bei Neurodermitis. Solltest Du mal ausprobieren!“

Dabei blickte sie tadelnd auf meinen Füße. Okay, lange nicht mehr eingecremt.

Wir plauderten noch stundenlang über die witzigsten und aberwitzigsten Möglichkeiten, sich zu entspannen oder entspannen zu lassen. Ich glaube, außer der Yoga-Session auf dem Gipfel des Mount Everest mit dem Yeti - natürlich im Kopfstand - oder dem Eistauchen nach der Sauna in Grönland war wirklich alles dabei. Dann taten die fünf Gläser Sekt bei mir ihre Wirkung. Thai Chi, Watsu, Aqua-Balancing, Water-Spinning, QiGong und Kung Fu drehten sich vor meinen Augen. Für mich war die Diskussion beendet, denn als ich mich sanft in mein weiches Kissen kuschelte, schlief ich sofort ein.

Und dann fing ich an zu träumen. Ich trieb auf dem Rücken liegend in einem Fluss aus Milch und Honig dahin, zwischen Lotosblüten und Schmetterlingen. Untergehen konnte ich nicht, denn ein ganzer Schwarm freundlicher Delphine hielt mich mit Schupsern ihrer Schnauzen an der Oberfläche. Das war wie eine sanfte Rücken-Massage.

Anschließend knabberten Tausende winzige Fischlein mit rasiermesserscharfen Zähnen Hautschuppen von mir ab. Das kitzelte, war aber sehr angenehm. Ein Schwarm von bunt schillernden Schmetterlingen massierte mir unterdessen mit kleinen Händen den Bauch. Dabei haben Schmetterlinge gar keine Hände. Aber das interessierte mich jetzt nicht. Als ich mit dem Kopf kurz unter Wasser tauchte, vernahm ich den beruhigenden Gesang von Blauwalen.

Die Schmetterlinge flogen davon und auch die Delphine und Fische verschwanden. Das Wasser verwandelte sich in heiße Schokolade mit Sahne-Häubchen und Amaretto-Geschmack. Dann hörte ich das Rauschen eines Wasserfalls. Ich dachte schon, ich würde jetzt in einen Abgrund stürzen, doch dann ergoss sich nur ein warmer Schwall von dünnflüssiger Milka-Schokolade über mich.

Ich leckte mir die Lippen - es schmeckte nach Kirschtrüffel in Alpenvollmilch - und öffnete die Augen. Über mir ein strahlend königsblauer Himmel mit weißen Rauten, von dem plötzlich dicke Schneeflocken zu rieseln schienen. Doch es war süße Schlagsahne. Lecker. Ich nahm einen tiefen Schluck aus dem schokoladigen See und ließ mich weiter treiben.

Der Kakao verwandelte sich in träge dahinfließenden Aloe-Vera-Saft. Es wurde dunkel. Ein Sternenhimmel mit hunderttausend Lichtern, die regelmäßig die Farbe wechselten, erschien über mir. Dann wuchsen lange Bergkristalle aus dem Firmament heraus, allesamt von innen mystisch glimmend. Eine riesige, runde Amethyst-Druse trieb an mir vorüber. Auf ihrem Rand saßen sich fünf Tibeter gegenüber, mit untergefalteten Beinen und in tiefe Meditation versunken. Zwischen ihnen flammten plötzlich blaue Duftkerzen auf.

Dann umhüllte mich ein feiner Nebel, aus dem glitzernde Eisblättchen herabfielen. Der grüne Saft um mich herum schien zu gefrieren, verwandelte sich aber gleich wieder und wurde ganz dünnflüssig. Mit einem Blitz wurde es hell. Nun schwamm ich in ruhigen Zügen in lachsfarbenem Aromaöl, das nach Vanille und Rhabarber duftete. Das gibt eine samtige Haut, dachte ich noch. Dann schienen ganz langsam Schwarzdorn-Reben aus dem Wasser zu wachsen, die sich zu einem durchscheinenden Tunnel verwoben. Hochkonzentriertes Salzwasser tropfte langsam an der lebendigen Saline herab und überzog alles wie mit glitzerndem Puderzucker. Ich sog das Meersalz in meine Lungen und fühlte mich so gesund wie lange nicht mehr.

Doch da war der weiße Reisig-Tunnel schon zu Ende und ich wurde sanft an einem weißen Sandstrand angespült. Der Sand bewegte sich und eine Riesen-Schildkröte trug mich schaukelnd zu ein paar gepflegten Bambus-Hütten, wo mich schon zwei durchtrainierte, dunkelhäutige Männer mit weichen Tüchern erwarteten, um mich schonend trocken zu rubbeln. Dann versank ich in einem weichen Himmelbett, das aus tausend sanften Händen zu bestehen schien. Eine tolle Massage, wie im Siebten Himmel. Dabei begleiteten mich sphärische Klänge von einem unsichtbaren Orchester und ein Schwall von Regenbogenfarben hüllte mich ein.

Die seidenen, glänzenden Stoffbahnen über dem Bett teilten sich und ein riesiges Gesicht erschien - es lächelte mich an und hatte eine frappierende Ähnlichkeit mit Maria. „Du, wir müssen jetzt gehen. Es ist schon früh - und der Sekt ist auch alle...“ weckte mich ihre etwas heisere Stimme.

Mein schöner Traum zerplatzte wie eine Seifenblase, als ich aufschreckte. Aber das war nichts gegen meine Kopfschmerzen am nächsten Morgen, als der leckere Tropfen seine Wirkung tat. Gleich nach dem Aufstehen - zum Glück war es Sonntag - spazierte ich zu der Böblinger Therme und buchte erst mal eine halbstündige Migräne-Massage. Danach fühlte ich mich wieder wie ein Mensch.

Eine richtige Wellness-Reise habe ich übrigens immer noch nicht unternommen, weder mit meinem Mann noch mit meinen Freundinnen. Aber eine Frage beschäftigt mich immer noch: „Wo könnte ich wohl meinen Traum-Urlaub buchen?“

 

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