Respekt.

Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer. Bitte und Danke - ein Fremdwort. Und überhaupt: Wo bleibt der Respekt?!

 

Respekt – einerseits klingt das Wort cool, wie ein gerappter Ehrenkodex. Andererseits aber auch nach hochgezogenen Augenbrauen und verärgertem Kopfschütteln, wenn ein Jugendlichen wieder respektlos war. Schon der antike Philosoph Sokrates hatte sich über den mangelnden Respekt von Schülern gegenüber Lehrern beklagt. Das Problem ist also nicht neu – aber deshalb vielleicht umso interessanter.

 

Was bedeutet es aber? Der Begriff hat unterschiedliche Bedeutung. Die ältere Generation meint damit die Höflichkeit und Umgangsformen der Jugend. Für den Meister ist es eine Frage des Gehorsams, denn wenn der Lehrling nicht spurt, dann ist das respektlos. Der Abteilungsleiter im Unternehmen deutet womöglich die kritischen Nachfragen des Mitarbeiters als mangelnden Respekt vor der Hierarchie. Und wenn einer „Respekt vor Kampfhunden“ äußert, ist Angst im Spiel. Vor allem aber wird Respekt so verstanden: als Achtung und Anerkennung des Gegenübers.

 

 

Das Wort leitet sich von dem lateinischen Verb "respicere" ab, was zunächst bedeutet: zurückblicken. Gemeint ist aber vielmehr: Rücksicht zu nehmen. Ein Gefühl dafür zu haben, dass wir nicht allein auf der Welt sind. Es geht um eine Form der Wertschätzung dafür, dass der andere anders ist und dass ich bereit bin, dieses andere nicht nur hinzunehmen, sondern es als Wert anzuerkennen. Deshalb respektiere ich zum Beispiel auch die Entscheidung einer Kollegin, den Job zu kundigen, auch wenn sich daraus für mich Nachteile ergeben. Aber das kann ich hinnehmen, weil ich mir sicher bin, dass sie gute Gründe für ihre Entscheidung hat.

 

Wenn ich etwas respektiere, akzeptiere ich es nicht nur, sondern halte es für gut, vielleicht sogar für bewundernswert, ohne es selbst in Anspruch zu nehmen. Das Bedürfnis nach Respekt und Wertschätzung ist ein zutiefst menschliches. Jeder sehnt sich danach, als Person wahrgenommen und anerkannt zu werden – in seiner Einzigartigkeit, seiner Rolle als Partner, Kollege, Familienmitglied, Nachbar.

 

Aber gibt es heutzutage so etwas überhaupt noch oder haben wir „Respekt“ total verlernt?

 

Ich habe so das Gefühl, als hätte sich die Gesellschaft verändert. Kein Bitte, kein Danke, alles ist Selbstverständlich. Und wenn einer mal etwas aus der Reihe tanzt, dann wird dieser gleich fertig gemacht, anstelle ihn so zu akzeptieren, wie er nun mal ist.  Manchmal hilft es, sich einfach zu fragen, wann und wo wir gern selbst für das respektiert würden, was wir sind. Und das kann sogar zwischen Lehrern und Schülern gelingen – wenn nicht nur eine Seite glaubt, den Respekt für sich beanspruchen zu dürfen. Denn wenn wir es genau nehmen kann ein Mangel an Respekt Beziehungen zerstören und sogar unglücklich und im schlimmsten Fall krank machen.

 

Hat es mit der eigenen Unzufriedenheit zu tun? Gerade wenn man sich das Beispiel Altenheim anschaut, ist es doch erschreckend, wie respektlos manche ältere Herrschaften behandelt werden. Wir sollten achtsam sein und uns einmischen, wenn anderen Menschen keine Achtung gezollt wird.

Wie wichtig Respekt in der Arbeitswelt ist, zeigt eine Studie, dass für die Mitarbeiter der respektvolle Umgang zu den drei wichtigsten Kriterien einer guten Arbeit gehört. Und wenn wir mal ganz ehrlich sind, ist eine Wertschätzung ein wichtiger Faktor für eine allgemeine Lebenszufriedenheit, wichtiger als Geld und Status. Denn was bringt es mir, jeden Monat 50.000€ mit nach Hause zu nehmen, wenn mich aber keiner respektiert und ich innerlich eingehe.

 

 

Aber lässt sich Respekt erlernen? Man hat ihn ­– oder hat ihn nicht, heißt es. Er lässt sich auch nicht erzwingen. Es ist eine innere Haltung. Sie basiert auf Einsicht, und die entsteht aus Lernerfahrungen. Vielleicht kann man Respekt lernen, in dem man es immer und immer wieder übt. Die Fähigkeit, dem anderen aufmerksam zuzuhören, gehört auch dazu. Und auch der Mut, dem anderen gelegentlich zu sagen: Das mag ich an dir.

 

 

Respekt, ein uraltes Phänomen, dass hoffentlich bald wieder zum Leben erweckt.

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