Everybody's darling

Jemandem einen Wunsch abzuschlagen oder eine Einladung abzulehnen ist nicht immer leicht. Viel zu schnell sage ich "Ja", obwohl ich vielleicht lieber mal "Nein" sagen sollte. Wenn ein Arbeitgeber hingegen ihre Traummitarbeiter beschreiben sollen, dann ist oft von Teamfähigkeit und sozialer Kompetenz die Rede. Andererseits heißt es dann aber im realen Leben „Sie können nicht everybody’s darling sein“ und mehr Stränge und Härte wird gefordert.


Es gibt Situationen im Leben, die kennt jeder. Man wird überrascht, sagt auf die Schnelle 'Ja' und meint doch 'Nein'. Man sitzt gemütlich auf dem Sofa, hat sich gerade entspannt und genießt das Nichtstun. Das Telefon klingelt und man hebt ab, ohne an etwas Böses zu denken. Ein paar Freunde wollen für nächstes Wochenende zur Grillparty einladen. "Schön, da habe ich noch nichts vor, ich komme gerne." sagt man gleich. Aber ohne einen Grund ruft ja bekanntlich niemand einfach so an und lädt jemand ein… Nun kommt es! So ganz nebenbei wird man dann noch gefragt, ob man die Bierzeltgarnitur mitbringen und an diesem Abend beim Grillen helfen kann. Und am besten noch den legendären Nudelsalat zubereiten. Und was sagt man? "Ja, okay, mache ich!"

 

Wem fällt es nicht schwer, 'Nein' zu sagen? Woher kommt es, dass wir oft 'Ja' sagen, aber lieber 'Nein' meinen? Nun, da gibt es sicherlich verschiedene Ansätze der Erklärung. Zum einen ist es natürlich, dass jeder dem anderen gefallen möchte. Jeder möchte seinem Gegenüber einen Gefallen tun. Jeder möchte geliebt werden und fühlt sich geschmeichelt, wenn jemand von ihm oder ihr sagt: "Das ist ein toller Mensch - was der alles kann!"

Außerdem sind wir zum Teil auch so erzogen, dass wir anderen zu Diensten sein sollen. Hier spielt zudem die Geschlechterrolle hinein. Vor allem Frauen haben oft ein noch viel größeres Problem, 'Nein' zu sagen. Und ganz ehrlich, ich finde es ja auch schön, jemand anderem einen Gefallen zu tun. Vielleicht kommt es aber auch dadurch, dass ich ein paar Jahre in der Dienstleistungsindustrie gearbeitet habe und es immer hieß „Es gibt kein Nein“.

Aber hat es wirklich mit dem Geschlecht zu tun? Mädchen werden manchmal dazu erzogen, anderen zu gefallen und liebreizend zu sein. Bei einem Jungen sehen es die Eltern oft nicht so genau. Meist wird geduldet, dass Jungs sich eben schmutzig machen. Auch werden ihnen nicht so viele Pflichten im Haushalt übertragen wie den Mädchen. Viele haben zudem in ihrem Elternhaus Sätze gehört wie: "Was sollen denn die anderen denken?", "Falle nicht auf und passe dich an", oder "Erst die Arbeit, dann das Spiel". Wir sind es von Klein auf gewohnt, bestimmte Erwartungen zu erfüllen.

Als Erwachsene laufen wir ständig auf Hochtouren, so dass wir oft keine Zeit haben, über unser Handeln nachzudenken und bestimmte Handlungsmuster zu hinterfragen. Wir reagieren oft nur noch anstatt zu agieren. Andererseits, warum lassen wir andere entscheiden, wie wir unsere Zeit verbringen? So wie manche in meinem Umfeld mal lernen müssten, öfters spontan „Ja“ zu sagen, müsste ich es lernen, ab und zu doch mal „Nein“ zu sagen.


Sagen wir doch einfach mal 'Nein', wenn jemand etwas von uns möchte und nutzen die gewonnene Zeit für uns. Wie dann wohl die Kollegen oder Freunde reagieren möchten? Im ersten Augenblick sind die dann sicherlich erst einmal eingeschnappt oder verblüfft, aber das gehört auch mal dazu.

 

Zurück zu mir – bis jetzt noch „Jedermanns Liebling“.

Es ist ein schönes Gefühl, von allen Menschen gemocht und geliebt zu werden. Aber dies ist in der Realität nicht zu schaffen, auch nicht, wenn ich alles gebe. Weder im Privatleben noch im beruflichen Umfeld kann ich es wirklich jedem Recht machen. Zudem muss ich sagen, dass ich auch die Erfahrung gemacht habe, dass manche Menschen mich nur mögen, wenn ich etwas für sie tue oder für sie nützlich bin. Klingt traurig, aber ist leider so. Oft gehe ich dem Konflikt lieber aus dem Weg und liebe eine harmonische Atmosphäre. Ein anderer hat dann vielleicht auch Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren. Manche Menschen können mit Risiken schlecht umgehen und sagen lieber einmal mehr 'Ja' zu einer weiteren Aufgabe, als mit negativen Konsequenzen rechnen zu müssen. Dabei ist das Risiko, den Job oder eine langjährige Freundschaft zu verlieren, deutlich geringer als man denkt. Wenn man immer alles tut, aus Angst vor den negativen Reaktionen Ihrer Mitmenschen, dann raubt es uns die Zeit, die Kraft und letztlich auch unsere Selbstbestimmung.

 

Aber wie befreie ich mich jetzt von diesem Image? Sollte jemand wieder mit einer Bitte an mich herantreten, lege ich meine Entscheidung nicht in diesem selben Augenblick fest. Ich verschaffe mir ein Zeitpolster, um über meine Entscheidung nachzudenken. Der Zeitpuffer verschafft einem auch die Möglichkeit, im Fall des Falles den Gegenüber auf ein 'Nein' vorzubereiten. Andererseits, der- oder diejenige, wo sich mit einer Bitte an uns wendet, bekommt nicht immer sofort eine Zusage. Er/Sie wird mit Sicherheit Plan B in der Tasche haben. Dies bedeutet, dass er/sie sich mit der Aufgabe an eine weitere Person wenden wird, um vielleicht schneller an sein Ziel zu kommen… - und so schnell sind wir die Sorge los! Ein weiterer positiver Nebenaspekt, wenn man eine Entscheidung nicht gleich kundtut, ist, dass das 'Ja' plötzlich sehr viel wertvoller wird. Dein Gegenüber weiß die Zusage viel mehr zu schätzen.

 

Eine Alternative ist, sich mit dem „Nein“ sagen anzufreunden.  Möglicherweise fühlt man sich direkt nach dem 'Nein'-Sagen nicht wohl. Das schlechte Gewissen meldet sich, man denkt über die Konsequenzen nach und denkt, man wirkt jetzt sicherlich herzlos und egoistisch auf andere. Aber keine Bange! Diese Gedanken verfliegen. Aber der Nutzen, der Zeitgewinn, bleibt. Nun hat man wieder Raum, sich um das zu kümmern, was einem wirklich wichtig ist. Also, ab sofort lernen wir das 'Nein'-Sagen auszuhalten. Es lohnt sich! Man geht gestärkt aus dieser Situation heraus und je öfter man es praktiziert, umso leichter wird es einem fallen.

 

In diesem Sinne: Ganz bestimmt tritt in den nächsten Tagen jemand mit einer Bitte an uns heran, man möge eine bestimmte Aufgabe übernehmen. Auf keinen Fall gleich 'Ja' oder 'Nein' sagen, sondern: "Ich geb dir heute Nachmittag bescheid." Nun hat man genügend Zeit, darüber nachzudenken, ob man diese Aufgabe übernehmen möchte oder nicht.

 

Ohne Soft Skills hat man heutzutage kaum eine keine Chance. Aber denkt dran, auch die sozialen Kompetenzen haben ihre Schattenseiten: Wer zu nett ist, gilt schnell als nützlicher Idiot oder eben „Everybody’s darling“.

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