Warum eigentlich nicht.

Schon mal drüber nachgedacht wie oft wir „Nein“ sagen? Also zu unseren Kindern? Ich glaube, ich sage mindestens 10mal am Tag zu Karl nein, wenn er wieder Sachen runterschmeißt oder Dinge in die Hand nehmen will, die nicht unbedingt für ihn bestimmt sind. Und bei aller Liebe- es gibt Tage, da wächst mir das Chaos einfach über den Kopf!

 

 

 

Manchmal habe ich einfach keine Lust auf diesen Dauertrubel. Dann merke ich, dass ich gar nicht so ganz bei Karlito bin. Ich bin nicht aufmerksam und denke mir keine tollen Aktionen aus, sondern ich bin nur vordergründig anwesend, während ich mich innerlich mit anderen Dingen beschäftige. Und erst am Samstag war das wieder so. Ich wollte kurz was am PC machen, als er mit dem Essen fertig war, und schwup die wup – mittendrin schaltet sich das Notebook aus! Ich hätte ausrasten können! Und dann fängt Karl noch an, die Rosinen in der ganzen Wohnung rumzuschmeißen…

 

 

 

Besonders an diesen Tagen bin ich immer ganz schnell mit einem „Nein!“ Ich schimpfe. Leider. Genauso, wenn er beim Abholen von der Kita nicht sofort ins Auto springt. Wenn wir nach Hause kommen, erlaube ich Karl erst mal nicht, im Vorgarten bzw im Sandkasten zu spielen, weil ich lieber schnell ins Haus möchte. Schließlich möchte ich mich auch erst mal umziehen und muss schauen, ob der kleine Mann überhaupt was in der Kita gegessen hat. Denn meist hat er noch so einen Hunger, dass er erst mal ne halbe Stunde am essen ist. „Komm bitte erstmal ins Haus“, „Bitte Schuhe ausziehen“, „Tu dies nicht“, „Tu das nicht“! Das Ergebnis ist- na klar: Geschrei!

 

 

 

Es ist traurig, und mir tut Karl in solchen Momenten einfach nur leid. Wirklich. Und ich bereue es spätestens, nachdem ich es ausgesprochen habe. Ich versuche aber daher, die Zeit immer so gut es geht zusammen zu nutzen. Sobald ich umgezogen bin geht es raus spazieren, oder auf den Spielplatz. Eine Kita-freie-Pause wäre eigentlich auch gut. Aber leider fehlen mir hierfür dieses Jahr die Urlaubstage. Die werden noch für den Umzug gebraucht…

 

 

 

ABER, wie wäre es ab heute mit einer Challenge? Wie wäre es, sich vor jedem „Nein“ erstmal kurz zu fragen: „Warum eigentlich nicht?“ Ich meine, was hab ich zu verlieren? Zeit haben wir doch genug, oder nicht?

 

 

 

Gestern ging es mit Karl schon nachmittags das erste mal mit dem Laufrad auf den Feldweg. Ja, warum eigentlich nicht? Bisher habe ich ihm nur erlaubt, damit in der Wohnung zu fahren. Zum einen wollte ich nicht, dass die Räder schmutzig werden, zum anderen hatte ich einfach so Angst! Angst, dass was passieren könnte oder er am Schluß im Graben landet. Und war es schlimm? Nein, ganz und gar nicht. Er hatte so einen Spaß!

 

 

 

Was Karl noch gerne macht, die Klappseiten vom Buch rausreißen. Bisher habe ich immer versucht, ihn aufzuhalten oder mich dann aufgeregt. Ja, es hat geld gekostet und sollte doch eigentlich noch paar Jahre halten? Aber andererseits, man kann die Seiten wieder reinkleben, oder nicht? Sieht zwar nicht so schön aus, und beim nächsten blättern reißt er es eh wieder aus. Es ist nur ein Buch! Also, warum eigentlich nicht? Warum habe ich mich immer aufgeregt?

 

 

 

Als Kind bin ich selber bei jeder Ameise am Wegesrand stehen geblieben. Heute ist diese unendliche Langsamkeit, die ein Kind manchmal an den Tag legen kann, für mich eine echte Geduldsprobe. Ameisen haben eben für mich ihren Zauber verloren. Das Sortiment im Edeka ist für mich auch kein Wunderland mehr und dann habe ich auch noch immer die Uhr im Blick. Eigentlich schade.

 

 

 

In dieser Woche sehe ich nun also die Welt durch Kinderaugen und spare mir jedes überflüssige „nein“, das nur meiner Ungeduld geschuldet ist.

 

 

 

Ich würde lügen, wenn ich behauptete, die Tage wären seitdem total stressfrei. Natürlich gibt es weniger Knatsch, wenn Karl seltener ein „nein“ zu hören bekommt, aber kaum setze ich wieder eine Grenze (und die sinnvollen Grenzen lasse ich ja nicht fallen) kippt die Stimmung sofort. Trotzdem glaube ich, dass wir in den letzten Tagen deutlich mehr Spaß hatten und alle insgesamt entspannter sind.

 

 

 

Es mag Zufall sein, aber Karl kam gestern das erste mal auf mich zu, und hat mir einen Kuss auf den Mund gegeben. Ein tolles Gefühl.

 

 

 

Vielleicht hat er sich ja gedacht: „Warum eigentlich nicht?“