Zeit zu zweit.

 

„Ihr müsst euch auch als Eltern Zeit zu zweit nehmen!“ Diesen gut gemeinten Tipp habe ich während meiner Schwangerschaft von so vielen Menschen in meiner Umgebung bekommen. Um ganz ehrlich zu sein, erschien mir dieser Ratschlag zu diesem Zeitpunkt nicht so wichtig.

 

 

 

Meine Cousine mit Mann hingegen hatten ab Tag 6 nach Geburt eingeführt, dass Oma und Opa jeden zweiten Samstag auf den Sprössling aufpassen. Ich konnte und kann es bis heute nicht nachvollziehen und kann es einfach auch nicht.

 

 

 

Ob reine Naivität oder eher mein ungebrochener Optimismus schuld daran sind, weiß ich nicht. Ich möchte so viel Zeit wie möglich mit Karl verbringen. Ja, ich bin auch Ehefrau, aber das Mama-sein oder Familie-sein hat für mich Vorrang. Man kann ja auch gemeinsam Samstags shoppen oder essen gehen – muss es immer zu zweit sein?

 

 

 

Naja. Zumindest nahm ich den Rat der anderen einfach nicht ernst und dachte mir, dass es doch irgendwie laufen würde, ohne, dass man so ein großes Ding daraus macht! Meine Eltern haben es doch auch geschafft – sogar mit 4 Kindern in einem für sie fremden Land. Sie waren fantastische Eltern und führten gleichzeitig eine harmonische Ehe. Dann schaffen wir das auch. Dachte ich immer wieder. Was kann uns denn schon nach über 9 Jahren Beziehung passieren?

 

 

 

9 Jahre Ehe. Jahre, in denen wir viele Höhen und Tiefen überwunden, neue Wege eingeschlagen, immer wieder umgezogen, viele gemeinsame Entscheidungen getroffen und unser absolutes Wunschbaby bekommen haben. Unsere Beziehung schien gefestigt und ich war mir zu sicher, dass uns das Kind noch mehr zusammenschweißen würde.

 

 

 

Die Wahrheit ist, dass nichts einfach so läuft, wenn man sich keine Mühe gibt. Wenn ein Paar plötzlich Eltern wird, dann ändert sich alles! So klischeehaft das auch klingt, so wahr ist es doch. Die hart erarbeiteten Kompromisse, die man als Paar geschlossen hat, die eingespielten Rituale – all das scheint ins Wanken zu geraten, wenn man plötzlich Mutter und Vater wird und sich voll und ganz auf das eigene Kind konzentriert.

 

 

 

Aber ist es wirklich so - Baby da, Beziehung kaputt? Unser Kind ist unser Lebensmittelpunkt und unser größtes Glück. Nichts kann die Liebe zu meinem Sohn toppen und er ist und bleibt die Nummer 1 in meinem Leben und im Leben meines Mannes. Dennoch gestaltete sich die Anfangszeit als Eltern für uns als Paar etwas holprig. Es war schwer. Schwerer als gedacht und wir hatten plötzlich Konflikte, die an früheren Streitpunkten aneckten und verschärfter zur Tage traten. Hatte ich mir das alles nicht leichter vorgestellt? Hätten wir uns vorher nicht besser auf die Situation einstellen können? Warum läuft es bei den anderen besser als bei uns? Fragen, die in meinem Kopf rumkreisten und mich oft traurig machten. Aber dann plagten mich auch Schuldgefühle. Wie kann ich traurig sein, wenn ich mein größtes Glück von Gott geschenkt bekommen habe? Denn trotz der Umstellung und all dem Neuen war ich seit der Geburt von Karl die glücklichste und stolzeste Mama auf Erden. Trotzdem spürte ich, dass sich etwas verändert hatte. Und dieses Etwas betraf die Beziehung zwischen meinem Mann und mir.

 

 

 

Und so kam es irgendwie … die Beziehung zerbrach etwas nach der Geburt. Ganz nach dem Motto „Beziehungskiller Baby“ – hört und liest man zwar hin und wieder, dass viele Beziehungen nach der Geburt zerbrechen, aber das waren alles undenkbare Szenarien für mich. Fakt ist, dass man gar keine Ahnung davon hat, was auf einen zukommt, wenn aus zwei plötzlich drei werden. Wenn sich die Werte verschieben, Ansichten und Prinzipen verändern und wenn man dank Schlaflosigkeit keine Kraft und Energie hat, etwas lang und breit auszudiskutieren. Und so war ich schon knapp davor, die Scheidung einzureichen. Es wurde nur noch gestritten, meist auch vor dem Kind – und ich wollte nicht mehr. Ich wollte lieber allein mit Kind sein, als in so einer Beziehung.

 

 

 

Ich wollte immer eine gute Mutter sein – die beste für Karl und alles andere war zweitrangig. Ich spürte, dass ich in meine Rolle als Mama reinwachsen musste. Und das brauchte Zeit, um überhaupt bereit zu sein, mir einzugestehen, dass ich nicht nur Mama, sondern auch (Ehe)Frau bin. Ähnlich erging es auch meinem Mann.

 

 

 

Erst, als ich wirklich über die Trennung und Scheidung nachdachte, fingen wir an, unsere Situation ernst und uns bewusst Zeit als Paar zu nehmen. Was, an dieser Stelle gesagt, nicht so leicht ist, wenn beide arbeiten, Kind bei einem im Schlafzimmer schläft und man versucht, alles unter einem Hut zu bringen.

 

 

 

Eine externe Problemlöserin (Eheberatung) war für mich keine Alternative. So etwas wollte ich nicht. Ich sprach viel mit anderen Mamas und merkte, dass es denen auch nicht einfacher fiel, die Balance zu halten. Ich sah plötzlich, dass wir nicht alleine mit unseren anfänglichen Problemen waren und dass sie sehr ähnliche Streitpunkte hatten wie wir. Eine Familie zu gründen, ist nun einmal schwer. Erst im Austausch mit meinen Freundinnen und anderen Müttern merkte ich, dass wir Mütter und Väter uns einfach nicht trauen, darüber zu reden, dass nicht immer alles rosarot ist – vielleicht weil man Angst hat, verurteilt zu werden, dass man grundlos jammere, dass es normal sei und dass sich das schon von alleine reguliere.

 

 

 

Aber was ist nun die richtige Lösung? Sein Kind jedes oder jedes zweites Wochenende komplett abschieben, damit man die Zweisamkeit wieder genießen kann? Oder einfach versuchen, die Zeit zu zweit zu genießen, wenn der Kleine schläft? Oder ist die ultimative Lösung, sich einen festen Abend im Monat zu zweit zu gönnen?

 

 

 

Viele Sorgen und Ängste nehmen uns regelrecht die Kraft, um uns als Ehepaar wahrzunehmen. Doch je älter Karl wird, desto gelassener werden wir. Sein Schlafverhalten regulierte sich nach und so blieb automatisch etwas Luft, uns abends bewusst Zeit zu zweit zu nehmen, zusammen wieder X-Box zu spielen und den alltäglichen Stress mal beiseite zu schieben, um einfach mal Mann und Frau sein.

 

 

 

Die perfekte Lösung haben wir für uns noch nicht gefunden. Aber wir sind immer hin soweit gekommen, dass wir nicht mehr so viel streiten. Und vor allem, das Streiten vor Karl komplett vermeiden.

 

 

 

Wie sind eure Erfahrungen? Was macht ihr, damit die Beziehung zu eurem Partner nicht am Alltagsstress leidet?

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Verena (Freitag, 12 April 2019 19:57)

    Dazu habe ich noch keine Erfahrungen, aber genau deswegen überlege ich auch, ob ich überhaupt jemals ein Kind haben möchte. Klingt hart, aber aktuell ist mir mein Leben und das mit meinem Mann einfach wichtiger.

    Liebe Grüße,
    Verena