#workingmom.

Ich selbst bezeichne mich ja eigentlich schon als #workingmom. Gibt man auf Instagram aber diesen Hashtag ein, wird man mit klischierten, gefacetunten Bildern geradezu überschwemmt.

Bilder von Frauen, die vor dem Laptop stillen. Frauen am Telefon, die einen Gesichtsausdruck aufsetzen, als würden sie gerade zwei Weltkonzerne fusionieren und gleichzeitig die Unterhosen ihres Ehegatten falten. Frauen mit gestähltem Body und knallhartem Businesspokerface, das sich zu einem sanft debilen Grinsen auflöst, sobald sie ihr Baby nur von weitem erblicken.

 

Social Media meint also: Zeit, Superwoman zu werden!

 

Auch in #reallife schlägt dieses „Working Mom“ Wellen. Kollegen begrüßen einen mit den Worten «Na, Mommy?!» oder «Und, wo ist jetzt dein Kind?»

 

Das Kind, es ist nun permanent Thema. Manche möchten Fotos sehen, andere wollen wissen, ob ich alles unter einen Hut bekomme, und überhaupt komme ich mir vor, als sei auf meine Stirn groß das Wort MUTTER tätowiert worden *lach*

 

Ja, ist ja alles net schlimm. Aber: Ich bin mehr als nur Mutter.

 

Klar, ich bin Mutter, und ich bin sehr stolz darauf. Und wenn ich Lust habe, rede ich stundenlang über den Schluckauf von Krl oder debattiere leidenschaftlich darüber, wann der perfekte Zeitpunkt für’s Fahrradfahren oder Schwimmen lernen ist... Aber genau das ist es: Wenn ich Lust habe. Ich könnte mich noch mit ganz anderen Hashtags versehen: #blogger oder #lilletdrinker zum Beispiel.

 

Ich will nicht vor jedem Meeting gefragt werden, ob mein Kind schon im Kindergarten ist. Sie denken vielleicht, das liege als Mamabloggerin wohl in der Natur der Sache. Aber ich habe noch einen zweiten Job, und dort ist es ganz genauso. Müssen Väter im beruflichen Umfeld auch ständig über ihr Privatleben und Intimstes aus dem Kinderzimmer sprechen? Sowieso ist die Bezeichnung «working mom» Männern gegenüber unfair. Dem Hashtag #workingdad (49’400 Posts) wird auf Instagram ein Bruchteil der Aufmerksamkeit zuteil wie #workingmom (3,7 Millionen Posts). Von den Vätern wird offenbar nach wie vor ganz selbstverständlich erwartet, dass sie das Geld nach Hause bringen. Jeder Dad ist dort ein «working dad», da erübrigt sich der Hashtag.

Auch wie die «working mom» in der Popkultur dargestellt wird, ist in vielerlei Hinsicht problematisch. Entweder handelt es sich um verbissene, multitaskende «momager», die allen in perfekt gebügelten Businessblusen immer einen Schritt voraus sind, noch schnell in der Mittagspause beim Kinderarzt ein Rezept anfordern und um Mitternacht selbst Babybrei kochen, oder es handelt sich um Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs, die seit Wochen nicht geduscht haben und beim Meeting verwirrtes Zeug murmeln oder einschlafen. Auch die Netflix-Serie «Workin’ Moms» tappt in diese Klischeefalle.

 

Tja, die Realität ist um einiges komplexer. Ich muss zugeben, dass ich vor meiner Schwangerschaft ein ziemlicher Workaholic war. 40 Stunden Job und meistens noch einen Nebenjob. Ich hatte panische Angst davor, in meiner Mutterschaftsabwesenheit in ein Loch zu fallen. Aber Gott sei Dank hatte ich mich das eine Jahr gut beschäftigt mit Babymassage, Babyschwimmen, Lefino etc. Und nach einem Jahr waren wir beide ready – er, für die Kita und weitere Kinder und ich für den Wiedereinstieg in das Berufsleben. Aber ganz so einfach ist der Einstieg auch nicht gewesen... Einerseits will man professionell behandelt werden, andererseits beschäftigt einen die neue Realität permanent.

 

Es ist auch eine Zeit der Identitätsfindung. Und das glamouröse Image, das unter dem Hashtag #workingmom proklamiert wird, dass alles so furchtbar easy aussehen lässt, trägt nicht zu einer gesunden, realistischen Rollenidentifikation bei. Auf Instagram spucken die Babys den Müttern nie auf die Hemdkragen, und keine verliert bei der Arbeit den Faden, weil sie seit Monaten nicht mehr durchgeschlafen hat oder sich einfach mal 10 min für sich selbst wünscht.

 

Ein weiteres Problem der Bezeichnung «working mom» ist, dass sie impliziert, dass alle #notworkingmoms den ganzen Tag faul herumgammeln. Ich muss hier nicht mehr erwähnen, wie hart die Mütter schuften, die vermeintlich nicht arbeiten. Brauchen wir diese unnötige Schubladisierung, die nur Vorurteile auslöst?

 

 

Bin zwiegespalten. Denn eigentlich find ich den Begriff schön. Andererseits - Ich bin einfach ein Mensch, der ein Kind und einen Job hat. Und mehr nicht.

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Kommentare: 3
  • #1

    Frank (Mittwoch, 11 August 2021 14:51)

    100 % Zustimmung.

    Es ist halt schwierig für die Gesellschaft, sich von alten Denkweisen zu verabschieden.

  • #2

    Jenny (Sonntag, 15 August 2021 10:42)

    Hallo :) bin über dein Instagram Profil hier her gestoßen :)
    Ich bin definitiv eine #workingmum

    Ich bin In einer leitenden Funktion bei einem Steuerberater für durchschnittlich 50 bis 60 Wochenstunden. Außerdem seit einem Jahr selbständig mit Mitarbeitern (nur zwei - aber trotzdem �) und studiere daneben an der KMU Personal Management.

    Mein Mann stattdessen ist seit 1,5 Jahren zu Hause bei unseren Töchtern (1,5 und 8) in Karenz. Er hat nur im ersten Jahr Geld bekommen. Und jetzt... Jetzt verdienen wir zusammen einen Topf Geld.
    Ich gehe dafür sehr viel arbeiten und zieh durch. Und er reißt sich jeden Tag den Arsch auf, dass unsere Mädels mal anständig werden �� insgesamt verdienen wir den Topf Geld zusammen.
    Er mit mir und ich mit ihm.

    Gesellschaftlich bin ich eine Rabenmutter und er entmännlicht... Aber hey... Uns geht's damit so gut und es funktioniert ��

    Ich finde deinen Content wahnsinnig wichtig ☺️

    Liebe Grüße aus Wien :)

  • #3

    Miriam (Montag, 06 September 2021 13:13)

    True words! Hast du gut beschrieben! :-)