Macht alleinerziehend einsam?

Gestern bin ich am Friedhof meiner Tante begegnet, die sich beschwerte, dass ich mich kaum noch melde.

 

Ja, das stimmt. Aber ehrlich gesagt, es passiert gerade so viel in meinem Leben, dass ich manchmal einfach nur meine Ruhe will. Ich will nicht ständig den Leuten die Ohren volljammern, wie es gerade um die Scheidung steht. Ob ich mich vielleicht grad wieder dick fühle, weil ich 2kg zugenommen hab und keine Motivation zum trainieren finde oder einfach keine Lust hatte, die Wohnung abzustauben....

 

Ich frag mich manchmal, ob die Leute das verstehen, wie es ist, plötzlich allein zu sein...

 

Eigentlich ist es ganz simpel: Alleinerziehend ist einfach eine Familie, die nur einen statt zwei Erwachsene hat. Den ganzen Alltag, die Kita, oder bald Schule, die Hobbys, die Krankheiten, die Ferien  allein organisieren.

 

Jeden Großeinkauf, jedes Abendessen, jede einzelne Wäscheladung, jeden Putztag selber machen. Jeden Wutanfall, jeden Streit, jede Entscheidung, jeden Geburtstag, jeden Elternabend alleine lösen. Jeden Euro selber verdienen, die anfallenden Kosten selber finanzieren, nichts teilen und nichts zusammenlegen können.

 

Jede Sorge alleine tragen, keinen Austausch haben und nie, wirklich nie zu Hause einen erwachsenen Ansprechpartner haben. Niemals sagen können: kannst Du mal übernehmen? Keine Alternative, kein Plan B.

Ich möcht mich nicht beschweren, um Gottes Willen. Ich hab einen tollen Job, eine tolle Mietwohnung und meine Eltern sind für mich da.

 

Aber wenn ich einer Freundin schreibe 'Ich mache heute nichts' oder 'heute hab ich nichts geplant' und dann zurück kommt "Ach so wie du möcht ich es auch gern haben, den ganzen Tag mal nur chillen" - ähm excuse me!

 

Die Nachricht hat mich geärgert, weil es für mich danach klang, als ob ich dann den ganzen Tag nix machen würde. Als ob das so einfach wäre, und als ob ich nicht selber wüsste, wie gut so eine Auszeit täte...

 

 

Wenn ich Zeit für mich alleine haben will, muss Karl woanders sein und ich frei von Pflichten. Wenn ich dazu noch wegfahren will, muss ich es bezahlen. Und da wären wir auch schon am Ende der Geschichte: selbst wenn Karl bei seinem Erzeuger ist, das ist ein Wochenende, 2 Tage. Ich habe trotzdem meine Pflichten. Manche fragen mich, ob ich nicht Lust hätte, mal einen Mädelstrip zu machen oder zu verreisen. Ja, gut, 2 Tage kann ich weg, länger halt einfach nicht. Dann aber 300€ oder mehr - puh, da wird es dann schon knapp. Das kann ich mir nicht leisten. 

 

Und auch hier denke ich oft, dass das Verständnis fehlt. Ich zahle die Miete allein, die Nebenkosten, Karl's Kindergarten, Essen, Handy, all seine Klamotten, Schuhe, Ausflüge (schwimmen oder mal essen gehen) - alles. Ich wohne nicht zu Hause, oder bekomme finanziell noch irgendwie groß Unterstützung seitens Karl's Vater. Im Gegenteil., der versucht einen eher noch, auszuquetschen....

 

Ich arbeite 32 Std die Woche - und manchmal auch noch abends oder am Wochenende, weil ich sonst einfach nicht mit meinen Sachen fertig käme. Wenn ich nicht arbeite, räume ich die Wohnung auf, kaufe ein, mache die Wäsche, putze Fenster. Das übliche. Wenn ich auch das nicht mache, schaue ich Netflix. Ja. Das ist meine Auszeit: Leider.

Und mein Wellness: Tanzen bzw. ausgehen. Ja. Ich hab es mit 18 geliebt und tue es immer noch. Und wer kein Verständnis dafür hat, dass ich bis 4 Uhr morgens weg bin - fuck off.

 

Ich würde mir mehr Unterstützung in meinem direkten Umfeld wünschen, und ich würde mir wünschen, dass ab und zu mal jemand anruft und fragt, ob wir was zusammen machen. Oder mit Karl auf den Spielplatz geht oder ihn 1-2 Std bespaßt, wenn ich nachmittags doch noch einen Termin von der Arbeit aus habe.

 

Aber alle sind so sehr mit ihrem eigenen Leben beschäftigt, dass sie nicht auf die Idee kommen. An meinem kindfreien Wochenende genieße ich es daher, einfach mal Freunde zu treffen. Jede Kontaktaufnahme kommt aber meistens von mir, und sorry, das ist manchmal auch mühsam.

 

So - genug gejammert und rumgeheult.

Eins möcht ich allen Single Moms da draussen noch weitergeben: 

Lasst Euch nicht bekloppt machen. Es liegt nicht an Euch, wenn Ihr erschöpft seid. Ja, das Leben ist wirklich so anstrengend. Lasst Euch nicht erzählen, Ihr müsstet Euch nur besser organisieren, Euch Netzwerke schaffen, Euch mal 'ne Auszeit nehmen oder mal in Kur fahren.

Nein, Ihr wisst ganz genau, was Ihr braucht, was Ihr könnt, was Euch gut tut, und was Euch fehlt.

 

Oft geht es einfach nicht anders, es ist jetzt halt so und vielen bleibt nur, durchzuhalten und darauf zu hoffen, dass die Lage sich einigermaßen entspannt, wenn die Scheidung durch ist und Karl größer.

 

Alleinerziehend zu sein ist nichts, was ein normaler Mensch schaffen muss, und deshalb braucht sich keine Alleinerziehende Vorwürfe zu machen, wenn sie nicht mehr kann. Sie soll und sie darf laut jammern und diese Missstände anprangern, das ist gerechtfertigt!

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