Kleine Jammertante.

Seit ich Corona hatte, hat sich meine "Jammerei" irgendwie verdoppelt - verdreifacht - keine Ahnung. Für mich war es so schlimm, nicht meinen Geburtstag wie geplant feiern zu können. Neues Kleid, neue Schuhe, Torte, alle Mädels eingeladen - und dann - einen Tag vorher positiv aber ohne Symptome. Für mich ist eine kleine Welt zusammengebrochen. Ich hatte mich so darauf gefreut - für manche nicht ganz nachvollziehbar, aber ja. Die Mädels alle mal wieder zu sehen, zu feiern, es einem gut gehen lassen. Und dann sitzt mal allein zu Hause, mit dieser tollen Torte, und darf ein paar Tage lang nicht raus. 

 

Gut. Genug hierzu. Keine Frage. Es gibt Momente im Leben,egal ob draußen die Sonne scheint oder graue Wolken in Kniehöhe hängen, egal ob wir allein im Bett liegen oder neben uns ein geiler Typ in die Kissen schnarcht, da denken wir: Alles läuft schief. Und man fängt an, zu jammern...

 

Wann ist eigentlich zum letzten Mal etwas Interessantes passiert? Ein Flirt, ein Lottogewinn, irgendeine Überraschung, mit der ich nicht gerechnet habe?

Mein Leben dümpelt so dahin, die Luft ist raus, warum bleib' ich nicht einfach gleich im Bett? Kommt euch das bekannt vor?

 

Das Problem ist, dass der alte Spruch "Es passiert nichts Gutes, außer man tut es" doch immer noch wahr ist. Aber gerade, wenn man sich langweilt, fällt einem nichts Gutes ein, was man tun könnte, um dem Leben mal wieder einen ordentlichen Kick zu geben. Man denkt viel eher darüber nach, wie schlecht es einem geht. Man fährt vielleicht „nur“ einen Golf, man ist „nur“ Sachbearbeiter. Ja. Eigentlich alles Luxusproblemchen, wenn man bedenkt, was irgendwo anders auf der Welt los ist.

 

Warum ist das so? Warum haben wir mit 30 oder 40 Jahren, trotz all unserer Lebenserfahrung, oft nicht mehr Biss als mit 20, sondern manchmal sogar weniger? Es gehört nun mal zum menschlichen Dasein dazu, dass die neuen, aufregenden, horizonterweiternden Dinge meist in der ersten Lebenshälfte passieren, während die zweite sich manchmal wie eine Reihe von Abschieden anfühlt. Aber trotzdem sollte man sich doch noch über die kleinen Dinge im Leben freuen, oder nicht?

 

Als ich damals mein erstes Geld hatte, und mir einmal im Monat Klamotten leistete, war ich super happy und mega stolz. Und jetzt? Nur einmal in der Woche Geld auszugeben, nein, reicht schon gar nicht mehr aus. Und sich dann keine Louis Vuitton leisten zu können – völlig unmöglich. Da wird man dann auch noch von der Kollegin ausgelacht, weil man „nur“ eine 180€-teure-Michael Kors Tasche hat. Ja, und so schnell hat man wieder schlechte Laune und möchte vor allem wieder eines, mehr. Hat das jammern aber auch damit zu tun, dass wir einfach nie zufrieden sind? Ärger im Job, vielleicht noch Stress mit Kind und Partner, der in uns nicht mehr die Königin sieht, sondern die Frau, der er durch die Badezimmertür zuruft, dass kein Klopapier mehr da ist. Ist das wirklich alles, was uns geblieben ist?

 

Und manchmal, genau in so einem Augenblick, sieht man dann wieder die neusten Meldungen von Freunden, die in der Karibik oder an einem „bessern“ Ort leben. Um uns von der Kokosnuss  vorzuschwärmen, die gerade vor ihnen auf die Füße viel. Von den Palmen, dem Meer und dass es doch mit ständig 30°C viel zu heiß sei. Ja, ist klar, und hier hat es morgens bereits nur noch 5-6 °C. Wenn wir ganz großes Pech haben, hat sie sich dazu auch noch frisch verliebt. Am besten noch in einen gutaussehenden Südländer, der nicht nur ein begnadeter Koch ist, sondern genauso gut im Bett. Nie ist das eigene Leben ja noch grauer, noch langweiliger, als wenn es bei anderen gerade so richtig glänzt.

 

Der Mensch ist nun einmal so gestrickt, dass wir den Royal Flush im Leben unserer Mitmenschen besser aushalten, wenn wir selbst nicht gerade die Pik Sieben gezogen haben. Mitfreuen ist eben meist schwerer als mitfühlen. Wer das nicht zugibt, der macht sich etwas vor. Aber manchmal, kurz bevor wir vollständig im Selbstmitleid versinken, erhalten wir dann die Nachricht von einem guten Kollegen, der nach einem Jahr nicht übernommen wird, oder einer Bekannten, die ihr Kind verloren hat. Manchmal ist es auch nur der Wasserschaden oder das Ordnungsamt beim  Nachbar, die uns blitzartig zur Besinnung bringen.

 

Worüber jammern wir eigentlich? Darüber, dass das Leben keine Wundertüte ist, die ständig Goodies ausspuckt? Oder weil wir in all den Jahren einen Geburtstag ausfallen lassen mussten?

 

Wenn wir gesund sind, ein Dach über dem Kopf haben, Geld verdienen -  dann ist das Leben doch wirklich gut genug. Es hätte nämlich schlimmer kommen können.

 

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