Emotionen.

Ja, i know. Emotionen. Ich sitze hier und weiß schon jetzt, dass es mir ganz und gar nicht einfach fallen wird, diese Zeilen zu tippen. Denn ich muss mir selbst eingestehen, dass mein Handeln in Bezug auf meine Familie oft nicht richtig.

Natürlich versuche ich immer authentisch zu sein und der Öffentlichkeit nur meine liebe und nette Seite zu zeigen. Negativ auffallen wollen wohl die Wenigsten. Doch auch ich habe eine Seite an mir, auf die ich nicht stolz bin. Eine Seite, die nicht nur mir Missfällt, sondern anderen Menschen oft Unrecht tut und ihre Gefühle verletzt. Menschen die mir nahestehen. Menschen, die meine Familie sind. Und mit dieser Familie meine ich nicht meinen Mann und Sohn, sondern den anderen Teil meiner Familie. Die Familie, die mich großgezogen und mir den Weg gewiesen hat.

Ein Beispiel ist meine Mutter. Sie arbeitet noch Teilzeit, hat ein 300m² Haus zu Hause zum putzen, wäscht für alle die Wäsche, macht und tut. Nur, wie lange noch? Beängstigend. Denn ich frage mich so oft, was, wenn sie morgen einfach umkippt und tot ist? Und anstatt in dieser Situation sensibel und angemessen zu argumentieren, mache ich ihr Vorwürfe, weswegen sie sich so überarbeiten muss. Weswegen sie sich so für andere kaputt arbeitet, während diese Menschen all' ihre Bemühungen nicht einmal im Ansatz zu schätzen wissen. Natürlich meine ich es nur gut, dennoch ist mein Verhalten in diesem Moment unangemessen. Es ändert nichts an ihrem Gesundheitszustand. Sie hat Probleme mit dem Herz, und wer weiß, was sonst noch. Es ändert nichts daran, wie es nun einmal ist und durch meine blöden Vorwürfe, geht's ihr mit Sicherheit auch nicht besser, im Gegenteil. Aber es macht bewusst, dass alles vergänglich ist, die Gesundheit und auch das Leben.

 


Beim erneuten Lesen dieses Absatzes ist mir aufgefallen, wie harmlos die geschilderte Situation wirkt. In der Realität ist es das nicht, nein. Es ist wirklich nicht schön mit anzusehen, wie ich mit meiner Familie rede. Und nicht selten erhalte ich dabei von meinen Geschwistern einen bösen Blick, vielleicht zurecht.

 

 

 

Ich sage halt auch leider immer das, was ich denke. Und etwas schönreden oder lügen, das ist nicht meine Art. Und das kann auch nicht jeder vertragen. Früher saßen wir jeden Sonntag zusammen am Mittagstisch. Es eskalierte immer. Wirklich Woche für Woche. Bis mein Mann irgendwann sagte, er möchte nicht mehr mitkommen, es sei zu negativ. Und seitdem war es einmal im Monat und nun sitzen wir nur noch an Festen zusammen am Tisch. Wir sind 2 Jungs und 2 Mädels daheim, unterschiedlicher könnten wir nicht sein. Und wenn es um meine Familie, also hauptsächlich um meine Geschwister geht, bin ich emotional wirklich unfähig. Ich kann kein Mitgefühl zeigen, bin oft überheblich und schaue ihnen beim Reden teilweise nicht einmal in die Augen. Ich beantworte ihre Fragen immer kurz und prägnant, lasse mich nicht auf Gespräche ein und fahre schnell aus der Haut, wenn mir etwas nicht passt.

 


Das alles hat Gründe. Sie alle liegen jedoch in der Vergangenheit. Und dennoch haben diese Gründe mich so sehr geprägt, dass sie mich oft zu einem schlechten Menschen machen. Einen Menschen, den ich so überhaupt nicht leiden kann. Andererseits kann ich auch in mancher Situation nicht anders. Das Vertrauen fehlt, um groß meine Gefühle preis zu lassen.

 

 

 

Andererseits haben sie mich aufgefangen, wenn ich nicht mehr weiterwusste. Haben mir den Weg gewiesen. Mir gezeigt, was wichtig ist im Leben. Demgegenüber gibt es seit der Geburt von Karl Situationen, wo ich sage, wo seid ihr? Warum kam von euch niemand, und hat gefragt, ob ich Hilfe benötige? Warum kam niemand, und hat gesagt „Ich gucke kurz auf Karl, du kannst derweil Staubsaugen“. Es ist schwierig.

Das wirklich traurige daran ist, dass ich meine Gefühle so oft mit mir wildfremden Menschen teilen kann - über den Blog oder Instagram -, aber wenn ich vor meiner Familie stehe, dann kann ich meine Emotionen nicht zeigen. Ja selbst wenn ich innerlich vor Liebe platzen könnte, so stehe ich vor ihnen und mache einen eher neutral, gelangweilten Eindruck. Dabei liegen mir so viele Worte auf den Lippen. Das alles belastet und führt dazu, dass das miteinander Reden nur schwieriger wird. Und wenn man mal versucht, ehrlich etwas zu sagen, bekommt es die Person nur in den falschen Hals und es ist schon wieder Stress angesagt.

 


Kommunikation war nie die Stärke meiner Familie, vielleicht fällt es mir ihnen gegenüber deswegen so schwer. Vielleicht lege ich bei meiner eigenen kleinen Familie auch deswegen so viel Wert darauf, dass wir miteinander reden. Über alles. Probleme, Gefühle, schöne Erlebnisse und schlechte Erlebnisse.

 


Doch wisst ihr, angesichts der Tatsache, dass man schon morgen tot sein könnte, frage ich mich, wie viel Zeit mir noch bleibt, um zu reden. Um Gutes zu tun. Um zu helfen. Um zurückzugeben. Wir wissen nie, wie viel Zeit uns mit den wichtigen Menschen bleibt. Wirklich nie.

Deswegen sollten wir über unseren eigenen Schatten springen, unsere wirklich dumme Sturheit hinter uns lassen und Emotionen und Menschlichkeit zeigen. Insbesondere den Menschen gegenüber, die es am meisten verdienen. Ja, daran will ich arbeiten. Vor allem meiner Mutter zuliebe.