Einmischen.

Im Bus beschwert sich ein schlecht gelaunter Mann über unerzogene Kinder, die neben ihrer Mutter wild auf der Rückbank herumturnen. Im Supermarkt schimpft eine gereizte Frau über "nervige Blagen", wenn ein Dreijähriger vor dem Süßigkeiten-Regal einen Wutanfall bekommt, weil Papa ihm keinen Lolli kauft. Auf dem Spielplatz trumpft eine pädagogisch versierte Mutter mit ihren Erziehungstipps auf und belehrt eine andere, wie man es besser machen sollte. Solche und ähnliche Situationen kennen die meisten Eltern. Und jedes Mal keimt Ärger, Unsicherheit oder Wut auf. Einmischen, dulden oder wegschauen? Wenn sich fremde Kinder danebenbenehmen, fühlen sich viele Eltern wie in der Zwickmühle. Schließlich möchte man selbst auch keine Einmischung in die eigene Erziehung.

 

 

 

Auf dem Spielplatz bewirft ein Mädchen die anderen Kinder mit Sand, der Kindergartenfreund des Sohnes flucht ständig, zwei Nachbarskinder prügeln sich im Hof. Zu reagieren, wenn andere Kinder Mist machen oder sich schlecht benehmen, ist für viele Eltern eine Gratwanderung. Einschreiten und zu verstehen geben, dass sich bestimmte Verhaltensweisen nicht gehören? Oder schweigen, weil man umgekehrt auch nicht möchte, dass sich Fremde in die eigenen Erziehungskonzepte einmischen?

 

 

 

Kinder brauchen Grenzen. Das ist eine pädagogische Weisheit, die den meisten wohl bewusst ist. Doch wer setzt diese Grenzen? Haben außer den Eltern auch Außenstehende das Recht sich erzieherisch einzumischen, wenn sich Kinder trotz Anwesenheit von Mama oder Papa im Restaurant, im Zug oder auf dem Spielplatz "aufführen"? Eine eindeutige Antwort darauf gibt es nicht, denn eine angemessene Reaktion der Eltern hängt nicht nur von der jeweiligen Situation, sondern auch von der Art ab, wie der fremde "Einmischer" in das Geschehen eingreift. Es gilt also abzuwägen, flexibel zu sein und auf jeden Fall souverän zu bleiben.

 

 

 

Die Einmischung von außen kommt immer unvorbereitet. Man ist deshalb nicht positiv eingestellt, denn indirekt wird in diesem Augenblick überraschend das eigene Verhalten kritisiert und in Frage gestellt und man fühlt sich dann überrollt. Ich glaube, jüngere oder zum-ersten-mal-Eltern gehen mit solchen Vorfällen in der Öffentlichkeit weniger souverän um als "altgediente" Mütter und Väter, die durch mehrere Kinder "alltagserprobter" sind. Eltern, die das schon öfter mitgemacht haben, klären die Situation wahrscheinlich eher mit Humor oder ignorieren einfach die Ratschläge und signalisieren so, dass sie 'Miterzieher‘ nicht dulden. Sie haben sich halt mit der Zeit ein dickeres Fell erarbeitet.  ;-)

 

 

 

Ein anderer Gesichtspunkt ist sicher auch, dass der gesellschaftliche Konsens für die Verhaltensregeln im Umgang miteinander zunehmend verlorengeht, und man nicht mehr darauf vertrauen kann, dass sich Erwachsene beim Umgang mit schwierigen kindlichen Verhaltensweisen einig sind. Während die eine Mama ihr Kind ermutigt, zurückzuschlagen, versucht die andere, ihre Kinder dazu zu erziehen, sich möglichst gewaltfrei zu verhalten. Wo die einen Eltern einen harmlosen Streit sehen, den die Kinder untereinander klären können, ist für andere bereits der Zeitpunkt zum Eingreifen gekommen. Das Bauchgefühl in solchen Situationen ist gar kein schlechter Ratgeber. Und ein Patentrezept gibt es nicht, weil jeder von anderen Erfahrungen geprägt wurde.

 

Was machen wir aber, wenn Aggressivität im Spiel ist? Ganz ehrlich, bedroht ein Kind meinen Karl oder andere Kinder ernsthaft und greifen dessen Eltern nicht ein, gehe ich selbst dazwischen. Und es ist bei uns auch schon vorgekommen, dass bei Familienfeiern ein etwas älterer Cousin meinte, Karli an den Kopf zu stoßen oder ständig kicken zu müssen. Sorry, no-go!! Klar, man sollte die Situation nicht dramatisieren, aber nach außen signalisieren, dass man körperlich aggressive Auseinandersetzungen in dieser Form nicht duldet oder sich einen freundlichen Umgang der Kinder miteinander wünscht.

 

 

 

Und seien wir mal ehrlich. Ein Kind kann meist nichts dafür. Ein Kind kann nur die Regeln befolgen, die es kennt. Soll ich dann das Gastkind darauf hinweisen, dass erst mit dem Essen angefangen wird, wenn alle etwas auf dem Teller haben? Oder darüber hinwegsehen, dass es die Gabel mit den Nudeln schon in den Mund geschoben hat?

 

 

 

Leider fühlen sich die Deutschen offenbar durch Kinder schneller gestört als in anderen Ländern, wo die Geburtenraten wesentlich höher sind. Kinder prägen nicht mehr selbstverständlich unseren Alltag. Die Gesellschaft ist sozusagen entwöhnt. Und sie haben etwas erfrischend Unstrukturiertes, Emotionales - Faktoren, die jedoch in einem ordnungsliebenden Land irritieren und sogar stören können - manchmal an der Grenze zur Kinderfeindlichkeit.

 

 

 

Eins muss ich noch sagen, nicht in jedem Fall ist Einmischung in die Erziehung von "Unbeteiligten" unangemessen oder aufdringlich. Immer, wenn das Kindeswohl gefährdet ist, etwa wenn Eltern ihren Nachwuchs in der Öffentlichkeit körperlich züchtigen wollen, sollten auch Außenstehende unbedingt einschreiten. Hier darf man nicht wegschauen und muss reagieren - dem Kind zuliebe!

 

 

 

Wie seht ihr das: Einmischen ja oder nein?