Entwicklungsbericht.

Entwicklungsbericht: Bald sind wir beim verflixten 2. Jahr.

 

Am Anfang sind die Fronten geklärt: Das Baby weint, wir Eltern werden panisch, rennen hin und tun alles, dass es dem Kleinen wieder gut geht. Wir Eltern – zumindest die Meisten – verhalten uns bedürfnisorientiert. Doch irgendwann kommt die Zeit, in der Kinder sich auch reiben wollen. Nicht von einem Tag auf den anderen, sondern schrittweise. Nun ist es an mir als Mutter – und das ist eine der schwierigsten Gratwanderungen – auf der einen Seite Bedürfnisse zu befriedigen, auf der anderen Seite aber auch Reibefläche zu bieten und Grenzen aufzuzeigen. Deshalb finde ich das Alter ab ungefähr dem ersten Geburtstag so wahnsinnig schwierig.

 

 

Die neue Phase

 

Oh man…. War mir das ein komisches Gefühl, als die Kindergärtnerin mir sagte „Karl wollte heute abhauen. Als wir ihn wieder reingeholt haben, hat er dann die anderen Kinder mit Spielsachen beworfen.“ Ich war erst mal geschockt. Mein Karl? Ist sie sich sicher? Mein lieber kleiner Karlito? Und am nächsten Tag dann die nächste Botschaft „Ihr Sohn hat heute alle Kinder umgeschupst und wollte immer alle von der Rutsche runterstoßen.“ Und wieder war ich baff.

 

 

Kinder entwickeln um den ersten Geburtstag schrittweise immer mehr ihren eigenen Willen, können schon mal sauer werden, wenn es nicht nach ihrem Kopf läuft, gleichzeitig brauchen sie noch so wahnsinnig viel Liebe und Zuwendung. Und das erstaunliche, mit seinen 19 Monaten kann Karl auch auf Knopfdruck heulen, man merkt richtig, dass das nicht echt ist!

 

 

Kennt Ihr das Buch „Oje ich wachse" - das hat mir damals eine Freundin ausgeliehen. Darin sind die Sprünge in der mentalen Entwicklung von Kindern beschrieben. Okay, die Beschreibung der Erfahrung der Mütter darin sind teils überflüssig bis blöd, aber im Großen und Ganzen ganz nett zu lesen. Die Frage ist: Wann ist Bedürfnisorientierung angesagt und wann Grenzen aufzeigen? Wann biete ich Parole? Wann will das Kind etwas Anderes, als es vielleicht braucht? Was tut dem Kind und auch der Familie langfristig gut?

 

 

Jetzt werden so viele Weichen gestellt….

 

Natürlich - Kinder müssen lernen, dass sie nicht der Nabel der Welt sind, gleichzeitig sollen sie natürlich auch wissen, dass ihre Wünsche und Bedürfnisse wichtig sind und nicht übergangen werden. Vom pflegebedürftigen Bündel werden sie jetzt zu kleinen Persönlichkeiten. Sie sollen lernen, sich an Essenszeiten zu gewöhnen, sie sollen sich an die Regeln, die in einer Familie so gelten halten – all das geht nicht über Nacht. Aber irgendwann kommt der Moment, wo ich weiß, wonach mein Kind meckert, wo ich weiß, was es will oder zu wollen glaubt und ich es ihm trotzdem nicht gebe. Ein komischer Moment, nachdem man bisher in vorauseilendem Gehorsam gehandelt hat. Mein Mann muss das noch lernen. Und die Oma erst recht! Anziehen im Wohnzimmer auf der Couch, anstatt im Kinderzimmer? Bei mir ein No-Go – aber Oma erlaubts. Schokolade gleich zum Frühstück? Der Papa sagt „ja!“. Karl hat mich recht entsetzt angeschaut, als ich ihn zwar in den Arm genommen und getröstet, ihm aber zum ersten Mal willentlich nicht seinen offensichtlichen Wunsch erfüllt habe. Er hat sich beruhigt. Und er wird an Situationen wie dieser wachsen.

 

 

Ich bin mir nicht in jeder Situation sicher wie ich mich verhalten soll  und was langfristig gerade das Beste ist. Ich werde sicherlich manchmal danebengreifen. Es ist eben ein Drahtseilakt zwischen Grenzen und Bedürfnisorientierung. Zu lasch reagieren, wenn eigentlich klare Grenzen benötigt werden? Ich werde sicherlich auch mal zu hart sein. Gerechtigkeit in der Erziehung – ist das möglich? Ich habe mich von dem Anspruch verabschiedet, wobei ich immer wieder sagen muss, das meine Eltern damals alles richtiggemacht haben. Beide haben an einem Strang gezogen, beide waren streng. Da gab es nicht – Mama erlaubt es, aber Papa nicht. Nein, von beiden kam ein klares „NEIN!“.

 

 

Ich werde mich bestimmt noch oft falsch verhalten – das weiß ich jetzt schon. Eltern können nicht vollkommen sein – weil Kinder nicht in Schablonen passen und weil Entwicklungsschritte keine Schritte, sondern Phasen sind. Aber, im Großen und Ganzen bin ich zufrieden und ich habe mir das mit der Erziehung (bevor Karl kam) auch nicht leichter vorgestellt.

 

 

 

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